Digitalmedien raus aus den Grundschulen!

Neurobiologin warnt beim Linken Forum vor „drohender Bildungskatastrophe“

Digitaleuphoriker auch im Bildungswesen gibt es in Paderborn, der „Heinz-Nixdorf-Stadt“, nicht gerade wenige. Ihr Rezept für den Schulunterricht lautet: I-Pads und Laptops schon in die Grundschulen. „Damit laufen wir in eine Bildungskatastrophe!“ weist die Neurologie-Professorin Gertraud Teuchert-Noodt, die auf eine über 40-jährige Forschungstätigkeit zurückblicken kann, derlei Forderungen weit von sich. Sie referierte zum Thema „Digitale Medien und Hirnschäden“ beim Linken Forum Paderborn. Trotz der Coronabedingten Auflagen erfreute sich die Diskussionsveranstaltung in der Cafeteria der Kulturwerkstatt zahlreicher interessierter Gäste.

Teuchert-Noodt, wie auch ihr Kollege Manfred Spitzer, warnen eindringlich vor dem verfrühten Einsatz digitaler Medien im Schulunterricht: „Ein Bauherr beginnt auch nicht mit dem Dach.“ Die digitale Revolution verbaue unseren Kindern demgegenüber die Zukunft. Warum, fragt die Neurobiologien, glaubten so viele Pädagogen, dass die kindliche Entwicklung beschleunigt werden könne, indem man deren Fundament einfach ausspare?

Dabei handele es sich, so Teuchert-Noodt, nicht um eine „Glaubensfrage“, sondern ihre Aussagen sind basiert auf jahrzehntelangen Forschungen zum Ablauf der frühkindlichen Gehirnentwicklung. Deren Ergebnisse machten deutlich, dass der Konsum von Digitalgeräten „den natürlichen Entwicklungsprozess durch kognitive Überforderung stört“ und schließlich negativ und unumkehrbar beeinflusse. Teuchert-Noodt wurde deutlich: „Wir haben es bei solchen Kindern mit einem kognitiven Super-GAU zu tun.“ Symptome könnten in Suchtverhalten, Lernstörungen, Aggressivität oder autistischen Störungen bestehen.

Ihre Forderung lautet demgemäß, dass keine digitalen Geräte im Kindergarten und in der Grundschule zum Einsatz kommen dürften. Stattdessen rät die Professorin zu vermehrter Bewegung in der freien Natur, denn es seien eben nicht die isolierten kognitiven Leistungen, sondern die körperlichen Bewegungen eines kleinen Kindes, die bestimmten, wie die ersten Funktionsmodule des Klein- und Großhirns reiften. Teuchert-Noodt: „Anderes wäre logisch auch kaum erklärbar, denn das Aufwachsen und Überleben in steinzeitlicher Steppe oder frühzeitlichem Urwald verlangte kaum mediale, dafür aber umso mehr körperliche Fähigkeiten.“

Befürworter frühkindlichen digitalen Lernens würden demgegenüber immer wieder einwenden, dass doch beides vermittelbar sei, reale und virtuelle Welterfahrung zugleich. Dem hielt Teuchert-Noodt entgegen, dass dieser Mechanismus erst ab einem jugendlichen Alter funktioniere, in dem „sich die reale Welt in die Nervennetze eingeschrieben hat“. In der frühkindlichen Phase der Gehirnentwicklung dominierten sensomotorische Erfahrungen, Bildschirm-Medien schränkten die Entwicklungsmöglichkeiten massiv ein und traktierten die Kinder mit einem „Trommelfeuer an Reizen“.

Kinder, so das abschließende Fazit der renommierten Biologin, sollten die Welt „mit Händen und Füßen erobern“ und sie mit allen Sinnen „begreifen“.

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