Baden-Württemberg, Bayern und vier weitere Länder kritisieren Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft

Aiwanger: „Das geplante Gesetz führt zu erheblicher Mehrbelastung und Rechtsunsicherheit gerade auch für rechtstreue Unternehmen. Die bestehenden Regelungen reichen völlig aus, um Straftaten, die aus einem Unternehmen heraus begangen werden, hinreichend zu sanktionieren“

Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut und der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger kritisieren den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft. Um das Vorhaben zu verhindern, bringen sie auf Initiative Baden-Württembergs in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates am 3. September gemeinsam mit Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein einen Antrag ein. Die beiden Hauptkritikpunkte der Länder: Laut Gesetzentwurf sollen ganze Unternehmen schuldlos für das Fehlverhalten Einzelner haften und unverhältnismäßige Sanktionen vorgesehen werden.

„Auch, wenn es der Titel des Gesetzentwurfs anders vermuten lässt: Mit der Gesetzesvorlage soll nichts anderes als ein Unternehmensstrafrecht eingeführt werden. Und dies in einer Zeit, in der zahlreiche Unternehmen infolge der Corona-Krise ums pure Überleben kämpfen“, betonte Hoffmeister-Kraut heute (1. September) im Vorfeld der Ausschusssitzung. „Statt der Wirtschaft in schwierigen Zeiten den Rücken zu stärken, sollen damit in der Folge ganze Unternehmen und damit die Gesellschafter, Beschäftigen und viele weitere Beteiligte dem Risiko einer willkürlichen und maßlosen Sanktionierung ausgesetzt werden.“ Vor allem kleine und mittlere Unternehmen hätten nicht die Ressourcen, um in teure, oftmals nur scheinbar wirksame Compliance zu investieren. Es sei schlichtweg nicht gerecht, wenn Menschen, die jeden Tag hart arbeiten und zum Wohlstand des Landes beitragen, für das Fehlverhalten Einzelner in Mithaftung genommen werden sollen. „Das ist für mich absolut das falsche Signal. Ich bin froh, dass sich uns eine ganze Reihe weiterer Länder angeschlossen hat“, so die baden-württembergische Wirtschaftsministerin.

Auch aus Sicht Aiwangers begegnen weite Teile des geplanten Regelwerks schwerwiegenden Bedenken. „Das geplante Gesetz führt zu erheblicher Mehrbelastung und Rechtsunsicherheit gerade auch für rechtstreue Unternehmen. Die bestehenden Regelungen reichen völlig aus, um Straftaten, die aus einem Unternehmen heraus begangen werden, hinreichend zu sanktionieren.“

Aiwanger kritisiert insbesondere das Vorhaben, Verurteilungen von Unternehmen öffentlich bekanntzumachen. Nach dem Regierungsentwurf soll das Gericht bei einer großen Zahl von Geschädigten eine öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung des Verbands – im Internet bis zu einem Jahr – anordnen können. „Hierdurch wird eine nicht gerechtfertigte Prangerwirkung erzeugt, dem betroffenen Unternehmen droht unter Umständen ein irreversibler Reputationsschaden“, kritisiert der Bayerische Staatsminister.

„Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf noch kurz vor der Sommerpause im Hauruckverfahren beschlossen, ohne auf die berechtigten Einwände und die Ablehnung aus den Ländern, aus der Fachwelt und nicht zuletzt aus den Reihen der Wirtschaft einzugehen“, kritisierten Hoffmeister-Kraut und Aiwanger.

Die Minister halten die Höhe der vorgesehenen Sanktionen für unverhältnismäßig. „Wenn die Sanktion, wie vorgesehen, bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen kann, ist dies existenzgefährdend – für das Unternehmen selbst und für alle, die mit dem Unternehmen in irgendeiner Verbindung stehen, nicht zuletzt die Beschäftigten“, so die Minister weiter, die in diesem Zusammenhang an das von der Bundesregierung beschlossene Belastungsmoratorium für die Wirtschaft erinnerten.

Laut Gesetzentwurf sollen künftig Unternehmen sanktioniert werden, wenn Einzelne in einem oder für ein Unternehmen tätige Personen im Rahmen ihrer Tätigkeit Straftaten begehen. Und zwar auch dann, wenn das Unternehmen als solches und die dahinterstehenden Inhaber, Gesellschafter, Geschäftspartner und Beschäftigten keinerlei Schuld trifft. Die beiden Minister betonten, sie seien sich mit zahlreichen Länderkollegen einig, dass dem Gesetzentwurf der Bundesregierung im Bundesrat in der vorliegenden Fassung nicht zugestimmt werden könne. Hoffmeister-Kraut und Aiwanger stellten dabei klar, dass Unternehmen, in denen gegen Recht und Gesetz verstoßen wird, im Wettbewerb mit der großen Mehrheit der Unternehmen, in denen Recht und Gesetz eingehalten werden, selbstverständlich keine Vorteile haben dürfen. „Zur Sanktionierung von im Wirtschaftsleben begangenen Rechtsverstößen bestehen schon eine Vielzahl von Regelungen“, so die Minister. Ihrer Ansicht nach sollten diese Regelungen zielgerichtet reformiert werden.

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