Hilferuf aus der Ausbildungspraxis: Corona bedroht viele Ausbildungsplätze

Zwei Personen am Tisch
ALEXA-Azubicoach Heike Görder im Gespräch mit Manfred Kreisel, Schulleiter am Lüttfeld-Berufskolleg in Lemgo.

Lippische Ausbildungsexperten fordern Unterstützung aus Berlin

Die Corona-Krise bedroht nicht nur die Existenz von unzähligen Kleinbetrieben, sondern auch den beruflichen Einstieg von vielen jungen Menschen: „Die Meldungen von Klein- und Kleinstunternehmen sind alarmierend“, erklärt Heike Görder, Azubi- und Unternehmenscoach im JOBSTARTER-Projekt ALEXA der GILDE-Wirtschaftsförderung. Ihr Arbeitsplatz ist am Lüttfeld-Berufskolleg (LBK) in Lemgo und direkt an der Schnittstelle zwischen Ausbildungsbetrieben und zukünftigen Azubis. Und gerade die berichten immer häufiger, dass Unternehmen angesichts der Corona-Krise ihre Ausbildungsplatzzusagen vermehrt zurückzögen.

Den sofortigen Handlungsbedarf erkennt auch LBK-Schulleiter Manfred Kreisel, der gerade kleinere Unternehmen gut verstehen kann: „In der jetzigen Situation sind die Betriebe natürlich sehr besorgt, ob sie mehrjährige Verpflichtungen durch neue Ausbildungsverträge tatsächlich einhalten können“.

Auch die Bildungsgangleitungen am Berufskolleg Tobias Lüttig und Claudia Kloock befürchten daher, dass ein Großteil der im Sommer abgehenden Schülerinnen und Schüler nicht mit Ausbildungsplätzen versorgt werden können. „Rund 80% unserer Schulabgänger sind über 18 und damit nicht mehr schulpflichtig“, erläutert Tobias Lüttig. Ohne Schule und ohne Ausbildung drohe den meisten Jugendlichen aber der Gang in die soziale Grundsicherung. „Und auch im kommenden Jahr, werden wir sie nicht unterbringen können, denn dann ist der nächste Abgangsjahrgang da – aber eben nicht doppelt so viele Ausbildungsplätze bei den Betrieben“, erklärt Azubicoach Heike Görder die problematische Perspektive.

Als Vertreterin des ALEXA-Ausbildungsprojekts, einem Förderprojekt des Bundes und der EU, informierte Heike Görder die lippischen
Bundestagsabgeordneten Kerstin Vieregge und Christian Sauter über die zunehmend kritische Situation am lippischen Ausbildungsmarkt.

Kerstin Vieregge sieht die notwendige Unterstützung für potentielle Ausbildungsbetriebe: „Hier gilt es die Betriebe pragmatisch zu unterstützen, zumal sich die Kosten des aufzubringenden Grundsicherungsanspruchs durch den einen Zuschuss für die Azubi-Vergütung direkt an die Betriebe großteils aufheben würden“, versprach Vieregge das Thema in Berlin in den entscheidenden Gremien schnell weiterzutragen.

Ziel sei es nicht nur Jugendliche mit Ausbildungsplätzen zu versorgen, sondern gerade Klein- und Kleinstunternehmen durch eine Investitionshilfe dauerhaft zu erhalten. Denn diese Betriebe können nur durch eine eigene Ausbildung ihre Fachkräfte sichern und somit dauerhaft am Markt bestehen.

Die Experten der GILDE-Wirtschaftsförderung und der Schulleitung des Lüttfeld-Berufskollegs setzen darauf, dass sich möglichst viele Institutionen und Verantwortliche auch auf Seiten der Arbeitnehmervertretungen dieser Initiative anschließen, um so die Notwendigkeit des schnellen Handels zu unterstreichen: „Das Problem wird nicht nur ein lippisches sein oder nur in NRW, sondern ganz Deutschland betreffen.“

Für Azubi-Coach Heike Görder bleibt zu hoffen, dass der “Hilferuf aus der lippischen Ausbildungspraxis“ in Berlin schnell Gehör findet und sich die Bundesregierung mit einer schnellen und unkomplizierten Unterstützung für die Betriebe befasst. „Eine Förderung etwa für das erste Ausbildungsjahr wäre eine zweckgebundene, zielgerichtete Investition in die Ausbildung. Durch Einsparung bei den Grundsicherungsansprüchen ist sie vermutlich kostenneutral und bietet damit eine positive Zukunftsperspektive für die Jugendlichen, die sonst drohen auf der Strecke zu bleiben“, fasst Heike Görder den Wunsch der Lipper zusammen und hofft auf eine schnelle und positive Entscheidung in Berlin.

Foto: GILDE – Gewerbe- und Innovations-Zentrum Lippe-Detmold GmbH

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